Der Ernährungskompass

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Bas Kast: Der Ernährungskompass – Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung, 320 Seiten, Abbildungen, Grafiken und Tabellen, Hardcover, € 20,00, ISBN 978-3-570-10319-7, C. Bertelsmann Verlag, München 2018.

Der Ernährungskompass, Buch, Cover

Mit der Ernährung ist es wie mit der Bewegung, beide brauchen wir, um physisch und psychisch gesund leben und aktiv altern zu können. Doch von Ernährung haben wir zu viel des Guten, an Bewegung mangelt es uns. Der Überfluss auf der einen und der Mangel auf der anderen Seite führen mit der Zeit zu Übergewicht, Bluthochdruck, Darmträgheit und vorzeitigem Gelenkverschleiß und gelten sowohl einzeln wie auch zusammen als gesicherte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel-, Gelenk- und Knochenerkrankungen. Unaufhörlich warnen Gesundheitsorganisationen wie die WHO vor Diabetes Typ 2 als Folge von Übergewicht und empfehlen Lebensstiländerungen durch gesunde Ernährung und mehr Bewegung im Alltag. Auch Ernährungswissenschaftler und medizinische Fachgesellschaften fordern zielgruppenorientierte Aufklärung und Programme zur Prävention und Behandlung von ernährungsbedingten Krankheiten. Wohl deshalb gibt es ein gigantisches Angebot an Fach- und Ratgeberlektüre zu mal mehr oder weniger wissenschaftlich überprüften Diät- und Kostmode(lle)n. Wer mag da noch durchschauen, was der Gesundheit nützt und was ihr schadet. Ist es vegane, vegetarische, flexitarische oder mediterrane Kost auf der Basis von Low-Carb-High-Fat, Low-Fat und/oder High-Protein, fett- und zuckerarme, gluten- und lactosefreie Nahrungsprodukte? Ist Intervallfasten eine effiziente Methode, Körpergewicht zu reduzieren? Wenn auch das an Überfülle und Diversität kaum zu überbietende, fitnessversprechende Produktsortiment der Lebensmittelindustrie die Inhaltsstoffe gesetzlich auflisten muss, verwirren die Angaben eher, als dass sie die Zusammenstellung eines individuell definierten gesunden Ernährungsprogramms erleichtert.

Der Ernährungskompass von Bas Kast ist als wissenschaftlich fundierter Ratgeber sehr hilfreich, Wege zu mehr Ausgewogenheit in der täglichen Ernährung zu finden. Er vermittelt ein ernährungsphysiologisches Grundverständnis. Anhand dessen lassen sich biochemische Verwertungsprozesse und Wirkungsweisen der Grundnährstoffe auf unsere Körperorgane besser erklären und offizielle Ernährungsrichtlinien sowie die hochgelobten Gesundheitswerte vieler Ernährungsformen kritisch hinterfragen. Der Autor hat vier Kernthemen beziehungsweise -ziele ausgearbeitet: Die richtige Dosis und Darreichungsform von Proteinen, Fetten und Kohlehydraten für effizientes Abnehmen – Schutz vor Krankheiten und Altersleiden – Mit Hintergrundwissen seriöse Daten und Fakten von Diätmoden und -mythen trennen – Länger und aktiv leben mit gesunder Kost. Mit motivierenden Botschaften – wie zum Beispiel „Essen Sie echtes Essen.“, das Essen zu genießen statt es zu berechnen oder nicht alle Essgewohnheiten über Bord zu werfen, sondern sie je nach Vorlieben und Geschmack experimentierend in den neuen Speiseplan zu integrieren – navigiert er sehr strukturiert seine Leser durch die komplexen Themenfelder der Ernährung.

Bas Kast studierte Psychologie und Biologie und arbeitet als Wissenschaftsjournalist. In der Einleitung seines Buchs schildert er seine Beweggründe, sich eingehend mit Ernährungsstudien aus der Medizin, der Stoffwechsel- und Altersforschung zu befassen. Lange war er der Annahme, dass ihm Junkfood wie Kartoffelchips als Abendessen nicht schade, solange er sich mit täglichem Joggen fithielte. Als ihn mit Anfang Vierzig während des Laufens Herzrasen und Schmerzen in der Brust ereilten, sah er seine Gesundheit bedroht und beschloss, seine Ernährung umzustellen. Er recherchierte akribisch, analysierte, testete, wertete viele Kostformen aus und stellt in zwölf Kapiteln seine Erkenntnisse, Erfahrungen und Empfehlungen vor. Zuerst geht er den für uns alle elementaren Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten auf den Grund, beschreibt ihre feinstofflichen Eigenschaften, erklärt ihre Wirkung auf unseren Körper und stellt ihre unterschiedlichen Wertigkeiten für unsere Gesundheit heraus. So lernt man, dass die „Zuckerüberfrachtung“ zum Beispiel durch den häufigen Genuss von Fruchtsäften der Leber das Leben schwerer macht als eine mit hochwertigen Fetten, wie sie in Nüssen, Samen und Fisch vorkommen, zubereitete Mahlzeit. Im Fazit empfiehlt der Autor, das Obst zu essen statt zu trinken. Der Verzehr von Obst als ganze Früchte senkt, von Fruchtsäften dagegen erhöht das Diabetesrisiko. Eine in „Fructose getränkte Leber“ verfettet und wird gegenüber dem Hormon Insulin unempfindlich, was wiederum die Bauchspeicheldrüse zu vermehrter Insulinproduktion anregt. Fructose ist ein Fettmacher und Insulin ein Fettspeicherhormon. Ihr beider Überfluss führt zu Übergewicht und inneren Entzündungsprozessen, ist ein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Alterserkrankungen. Das heißt nicht, dass wir auf Zucker beziehungsweise Kohlehydrate gänzlich verzichten sollen. Es ist aber höchst ratsam, die täglichen Mengen zu reduzieren oder besser zu meiden, die in Fertiggerichten, in der Wurst, in Früchtejoghurts, Fruchtsäften und Limonaden versteckt sind. Dieses ausgewogene Verhältnis zwischen Quantität und Qualität gilt auch für die Gruppen der Eiweiße und Fette.

Bas Kast weiß zu interessieren. Im Plauderton geht er mit seinen Lesern Dialoge ein, fragt sie nach den eigenen Essgewohnheiten, nutzt viele Metapher, veranschaulicht aber doch sachlich und präzise wissenschaftliche Darstellungen der modernen Ernährungsphysiologie und -medizin, sodass auch Laien Fachbegriffe wie Galaktose, Glykämischer Index, Insulinresistenz, mTOR-Moleküle oder Telomere verstehen und zuordnen können. Auf diese Weise thematisiert der Autor auch die Bedeutung der Vitamine und Mineralstoffe im Allgemeinen und der Vitamine B12 und D3 im Besonderen, Sinn und Unsinn von Nahrungsergänzungsmitteln sowie die Zeitfenster zwischen den Mahlzeiten und Fastenstrategien. Nichts in diesem Buch ist unwichtig oder übertrieben. Stößt man nur schon beim Durchblättern auf Kapitelüberschriften wie „Butter: Gesünder als das Weißbrot, auf das sie gestrichen wird?“, kommt der interessierte Mensch nicht umhin, weiterzulesen, wo die Butter im Gesundheitsranking der Fette steht. Und man wird neugierig zu erfahren, wann Smoothies kein Superfood mehr sind, warum Milch kein geeignetes Nahrungsmittel für Erwachsene ist, Joghurt aber sehr wohl und Filterkaffee für Herz und Leber gesünder ist als türkischer Mokka oder Espresso. Für Kartoffelliebhaber und Weintrinker unter den Gewichtsabnahme-Willigen halten Kasts Empfehlungen so manche Überraschung bereit. Und den Skeptischen und Zögernden in punkto Ernährungsumstellung sei zum Trost gesagt, hin und wieder ist für unser aller Seelenheil und soziales Leben auch mal Junkfood, Bitterschokolade, ein Stückchen Sahnetorte oder Eiscreme erlaubt. Alles mit Maß und Ziel, versteht sich. Wie schon erwähnt, die Darreichungsform und die Dosis machen das Gift.

Bas Kast lässt das Buch mit seinen zwölf wichtigsten Ernährungstipps kurz und prägnant ausklingen. Der 26-seitige Anhang dieses umfangreichen Werkes soll hier nicht unerwähnt bleiben, unterstreicht er doch mit seinen Literatur- und Stichwortverzeichnissen sowie der Fußnotenliste mit fast 400 Anmerkungen dessen wissenschaftliche Basis.

Fazit

Bas Kast hat den immensen Einfluss der Ernährung auf unsere Gesundheit eindrucksvoll herausgestellt und Expertenwissen für die praktische Umsetzung in den Ernährungsalltag seriös und zugleich humorvoll aufbereitet. Sein Buch ist erfrischend lehrreich, spannend und unterhaltsam und ermutigt auf diese Weise, mehr Eigeninitiative und Selbstverantwortung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden zu übernehmen.

Cornelia M. Kopelsky, Service für bewegende Publikationen
Freie Fachjournalistin und Fachautorin
Feckweilerbruch 28, 55765 Birkenfeld / Nahe

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