Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung

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Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA, (Herausgeberin) / Alfred Rütten / Klaus Pfeifer (Gastherausgeber): Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung, 3. Auflage, 88 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-946692-30-0, Köln 2018 (Bestelladresse BZgA, Maarweg 149 – 161, 50825 Köln, Bestellnummer: 60640103).

Der Nutzen von täglicher ausreichender Bewegung für die Gesundheit ist längst bekannt und wissenschaftlich belegt. Dennoch bewegen sich viele Menschen zu wenig und leiden beispielsweise an Übergewicht, vorzeitigem Gelenkverschleiß, Rückenschmerzen, Stoffwechselstörungen oder Bluthochdruck infolge ihres Bewegungsmangels. Trotz allen Aufklärungskampagnen, sich der Gesundheit zuliebe mehr zu bewegen, und entsprechenden Gesundheitssportangeboten ist nach EU-Untersuchungen die Überlegenheit von Menschen mit bewegungsarmen Lebensstilen in Europa in den letzten zehn Jahren gleichgeblieben. Auch in Deutschland haben die Erkenntnisse über die bedeutsamen Zusammenhänge zwischen Bewegung und Gesundheit offensichtlich die wichtigsten Zielgruppen in deren Alltagshandeln kaum erreicht.

Diese Problematik veranlasste die BZgA, im Rahmen ihrer Fachheftreihe „Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung“ ein fachspezifisches Sonderheft herauszugeben, das die Wirksamkeit von körperlicher Aktivität auf die bio-psycho-soziale Gesundheit aller Altersgruppen wissenschaftlich fundiert herausstellt und Wege aufzeigt, mehr Bewegung in die Lebenswelten der deutschen Bevölkerung zu bringen. Unter Mitwirkung einer Expertengruppe aus Gesundheitswissenschaften, Sportmedizin und Sportwissenschaft sind „Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“ erarbeitet worden, die in erster Linie an ein breites Fachpublikum gerichtet sind. Sie sollen gesundheits-, bildungs- und sozialpolitischen Entscheidungsträgern, Organisationen, Fachprofessionen, Akteuren und Multiplikatoren Orientierung und Impulse bieten, Projekte zur bewegungsaktiven Gesundheitsförderung in allen gesellschaftlichen Feldern zu entwickeln, implementieren und umzusetzen.

Nach Sichtung, Auswertung und Vergleiche nationaler und internationaler Studien und Literatur sowie Expertenbefragungen haben die Autor*innen drei Schwerpunkte herausgebildet. Zunächst werden Begrifflichkeiten erklärt, denn die nationalen Empfehlungen stehen im Kontext internationaler Empfehlungen, die es schon seit Ende der 1970er Jahre gibt. Der Begriff „Bewegung“ zum Beispiel wird hier ausschließlich unter der Gesundheitsperspektive betrachtet, wonach alle gesundheitsförderlichen körperlichen Aktivitäten gemeint sind. Auch sportliche Aktivitäten zählen dazu, sofern sie die Gesundheit fördern und sie nicht gefährden oder ihr schaden. Dieses Verständnis entspricht sowohl der Definition der WHO als auch den EU-Leitlinien für körperliche Aktivität. 1978 empfahlen amerikanische Wissenschaftler der Sportmedizin Ausdauer- und Krafttraining mit hoher Intensität an mehreren Tagen in der Woche als effektive Maßnahme zur Gesundheitsförderung. Seit den 1990er Jahren belegen immer mehr Studien, dass auch ganz normale Alltagsbewegungen wie zum Beispiel das Gehen Gesundheitspotential haben. Der gesundheitliche Nutzen von alltäglicher moderater Bewegung gilt inzwischen als gesichert. Auf dieser Verständnisebene stehen Alltagsbewegungen im Vordergrund als Empfehlungen für eine gesundheitswirksame Lebensweise.

Für den Gesundheitseffekt ist die Bewegungsintensität beziehungsweise der Energieverbrauch körperlicher Aktivität über den Ruheenergieverbrauch hinaus von entscheidender Bedeutung. Da die Intensitätsbereiche „Ruhe“ und „sitzendes Verhalten“ kaum und eine „Basisaktivität“ mit „leichtintensiver körperliche Aktivität“ nur wenig Energie verbrauchen, wird Bewegung mit „moderat-intensiver“ bis „hochintensiver“ körperlicher Aktivität differenziert nach Zielgruppen empfohlen. So sollen Grundschulkinder beispielsweise eine tägliche Bewegungszeit von mindestens 90 Minuten in moderater bis hoher Intensität erreichen. Dazu zählt unter anderem das Zufußgehen mit mindestens 12.000 Schritten pro Tag. Für gesunde Erwachsene (18 – 65 Jahre) gilt die Mindestempfehlung von fünfmal 30 Minuten pro Woche ausdauerorientierter Bewegung mit moderater Intensität oder 75 Minuten pro Woche mit höherer Intensität. Jugendliche wie berufstätige Erwachsene sollen lange Sitzphasen durch körperliche Aktivität regelmäßig unterbrechen. Weitere differenzierte Empfehlungen richten sich an ältere Erwachsene über 65 Jahre und an Erwachsene mit nichtübertragbaren Krankheiten (z. B. klinisch stabile ischämische Herzerkrankungen oder nach Schlaganfall). Alle Bewegungsempfehlungen werden mit ihrer jeweiligen Wirkung auf die Gesundheit zielgruppenspezifisch begründet. Zudem weisen entsprechende Quellennachweise auf weiterführende Literatur hin.

Die Empfehlungen für Bewegungsförderung basieren auf Forschungsgrundlagen, Evidenz und Qualität und beziehen sich ebenfalls auf die Zielgruppen. Primär geht es den Autor*innen um die Förderung bewegungsfreundlicher Verhältnisse in den verschiedenen Lebenswelten. Dafür formulieren sie Informationen zur Bewegungsberatung, zur Vermittlung von Wissen über die Zusammenhänge von Bewegung und Gesundheit sowie von Bewegungsmangel und Gesundheitsrisiken, zur Auswirkung auf die soziale Chancengerechtigkeit und zur Kostenplanung. Anhand von Beispielen werden die Empfehlungen für Bewegungsförderung für alle Altersgruppen dargestellt: So benötigen schon Säuglinge und Kleinkinder in ihrem familiären, häuslichen Umfeld ausreichenden Raum, geeignete Materialien sowie Impulse und bewegungsaktive Vorbilder durch die Eltern für die Entwicklung ihrer Motorik. Auch im weiteren Kindesalter hat die Familie prägenden Einfluss auf das Bewegungsverhalten der Kinder. In den außerfamiliären Lebenswelten wie Kindergarten, Kita und Schule müssen zum planmäßigen Bewegungs- und Sportunterricht zusätzliche räumliche und zeitliche Strukturen für Bewegungsanlässe vorhanden sein. Darüber hinaus brauchen Kinder neben ihrem organisierten Freizeitsport noch genügend Zeit für unorganisiertes spontanes Spielen und Toben. Nicht nur Bewegungspädagog*innen, sondern auch Eltern, Erzieher*innen und Lehrer*innen sollen über die Komplexität kindlicher Bewegungsförderung gut informiert sein.

Die Bewegungsförderung in den Lebenswelten der Erwachsenen setzt an mehreren miteinander verknüpften Komponenten an, wie die folgenden Beispiele zeigen: In der Arbeitswelt können das eine bewegungsförderliche Umgestaltung der Arbeitsabläufe, Angebote für eine aktive Pausengestaltung, eine Rückenschule und / oder Betriebssport sein. In der kommunalen Lebenswelt sollten öffentliche Plätze und Parks, sichere Verkehrswege und Freizeitanlagen so geschaffen sein, dass die Menschen gern zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind. Bewegungssicherheit ist besonders für ältere Menschen eine relevante Begründung, Muskelkraft, Koordination und Gleichgewichtsfähigkeiten als Sturzprophylaxe unter fachlicher Anleitung zu fördern…

Fazit

Für einen überwiegenden Anteil der Bevölkerung, der den Tag mehr sitzend als bewegt verbringt, braucht es konkrete Voraussetzungen sowie vielfältige, nachhaltige Anlässe für ein vielseitiges und freudvolles Bewegungsverhalten. Dieses Heft hält dafür umfassende Ideen, Ansätze und Methoden für die Konzeption von bewegungsaktiven und damit gesundheitsförderlichen Lebenswelten bereit. Es motiviert zur Schaffung von strukturellen Rahmenbedingungen für zielgruppengerechte Projekte und unterstützt die fachinhaltliche Maßnahmengestaltung.

Cornelia M. Kopelsky, Service für bewegende Publikationen
Freie Fachjournalistin und Fachautorin
Feckweilerbruch 28, 55765 Birkenfeld / Nahe

www.CMKopelsky.de