Yoga hilft in psychischen Krisen

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Christiane Wolff / Annabelle Starck: Heilen mit Yoga – Die Seele stärken bei Burnout, Depression und Ängsten, 176 Seiten, 130 Abbildungen, kartonierter Einband, TRIAS Verlag Stuttgart 2018, Preis: 24,99 € (D), ISBN: 978-3-432-10420-1.

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Internationale Studien belegen, dass die achtsamkeitsbasierte Übungsweise des Yoga Heilung und Genesung von psychischen Belastungen und Erkrankungen effektiv unterstützen kann. Christiane Wolff, Gymnastik- und Yogalehrerin, und Annabelle Starck, Psychologin und Psychoanalytikerin, stellen in ihrem Buch Methodik, Anwendungsformen und Wirkungsweise indikationsbezogener Yoga-Sequenzen vor. Die Autorinnen sind in ihren jeweiligen Professionen selbständig tätig und arbeiten in der Yoga-Lehrer-Aus- und Fortbildung eng zusammen.

In ihrem Vorwort betonen sie, dass Yoga keine Therapie sei und Yoga-Lehrende keine Therapeuten. Yoga ist eine geistig-körperliche Übungsdisziplin, die Wege weist, bewusst mit Körper, Gedanken und Gefühlen umzugehen, Veränderungen einzugehen, regenerierende Kräfte zu erkennen, energieregulierende Strategien zu entwickeln und sich vor verletzenden und zerstörenden Folgen von Stress zu schützen. Um diese Ziele bei psychischen Erkrankungen zu erreichen, ist es wichtig zu wissen, wie Symptome auf der mental-emotionalen Ebene Befindlichkeit und Verhalten beeinträchtigen und zu verstehen, wie eine auf das jeweilige Beschwerdebild abgestimmte Yoga-Praxis durch körperlichen Zugang therapeutisch wirksam werden kann. Zudem wird die Wirksamkeit einer guten Yoga-Praxis durch eine pädagogisch geschickte Unterrichtsgestaltung und Übungsanleitung, eine einfühlsame Sprache und Stimme der Yoga-Lehrenden sowie eine durch Ruhe und Stille geprägte Atmosphäre in Raum und Zeit gefördert. Entsprechend diesen Erfordernissen konzipierten die Autorinnen sowohl einen Ratgeber mit Übungsempfehlungen und ‑anleitungen als auch eine bewegungspädagogische Fachlektüre mit praxisrelevanten Aussagen zur nutzbaren Vereinbarkeit von indischer und westlicher Lebenslehre, um Yoga-Übende und Yoga-Lehrerende gleichermaßen anzusprechen.

Zu Beginn gibt es eine Einführung in die Grundlagen des Ayurveda, der ältesten ganzheitlichen Lehre vom Leben der Menschheit. Der Ayurveda lehrt unter Berücksichtigung der Lebensumstände und der sozialen Teilhabe des einzelnen Menschen das Zusammenwirken von Körper, Geist und Seele. Er motiviert den Menschen, seine Lebensweise aktiv und eigenverantwortlich zu gestalten, umso einen leistungsfähigen Körper und einen klaren Geist zu fördern sowie Auslöser einer Erkrankung zu verstehen und gesunde Verhaltensweisen aufzubauen. Bestimmt wird die individuelle Konstitution nach der jeweiligen Zusammensetzung der Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther. Daraus ergeben sich drei Grundenergien, die sogenannten Dosas. Als eine Säule des Ayurveda folgt auch der Yoga diesem Ansatz, richtet seine Asanas, Mudras, Atemübungen und Meditationen nach den Dosa-Typen Vata, Pitta und Kapha aus und sieht seine heilende Kraft bei psychischen Problemen und Stressbelastung darin begründet. – Im Weiteren veranschaulicht eine aus ayurvedischer und westlicher psychologischer Sicht vergleichende Betrachtung die menschliche Psyche und ihre enge Verzahnung mit physiologischen Prozessen und dem Bewegungsverhalten. Aus deren Erkenntnissen ein tieferes Verständnis für die beschriebenen Beschwerdebilder bei Depressionen, Angststörungen, Burnout und Trauma-Belastungen wächst. An dieser Stelle gelingt den Autorinnen ein fließender Übergang von der Theorie in die Yoga-Praxis. Sie informieren über die relevanten Symptome und Behandlungsmöglichkeiten und empfehlen zum Beispiel bei Angststörungen eine von Atemübungen in Verbindung mit meditativen Bewegungen geleitete Yoga-Praxis. Besonders die betonte Ausatmung kann über das parasympathische Nervensystem den hohen Erregungszustand sänftigen, das Herz beruhigen, die Muskeln entspannen und den Geist entschleunigen. Die Kombination mit Bewegungen lenkt die Konzentration auf den Übungsablauf und von angstauslösenden Gedanken weg.

Im praktischen Teil des Buchs werden zehn Übungssequenzen beschrieben. Die Autorinnen nennen sie Yoga-Flows, wohl deshalb, weil die ritualhaften Bewegungs-, Haltungs- und Atemübungen mit bewusst fließenden Abläufen in die Achtsamkeit führen, harmonisierend auf Körper und Geist wirken und somit der Seele guttun. Die einzelnen Sequenzen sind nicht nach Krankheiten, sondern nach häufig vorkommenden Symptomen in Themen gegliedert. Das ist insofern sinnvoll, da bei den verschiedenen psychischen Erkrankungen oftmals dieselben Symptome auftreten, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. So kommen beispielsweise Schlafstörungen, quälende Gedanken oder Konzentrationsstörungen bei Burnout genauso vor wie bei Depressionen oder Trauma-Belastungen. Die Themen sind patientengerecht formuliert und entsprechen damit dem Krankheitserleben, zum Beispiel: „Ich finde keinen Schlaf“ – „Ich fühle mich energielos“ – „Ich kann Gedanken nicht stoppen“ – „Ich kann mich nicht spüren“.

Jede Übung, mit Yoga- und deutschem Namen bezeichnet, wird Schritt für Schritt angeleitet, sodass ein funktionell-anatomisch richtiges Bewegen dem Patienten Übungssicherheit geben kann. Yoga-Lehrende erhalten zudem in farbig hinterlegten Textstellen didaktische Tipps und Indikationshinweise. Zu jedem Thema bieten die Autorinnen „Schnelle Hilfen“ an. Diese bestehen aus Mudras, Mantras und Meditationen und können bei Bedarf im Alltag eingesetzt werden.

Fazit

Das Buch zeichnet sich durch alltagstauglich aufbereitetes Expertenwissen aus. Zugegeben, es beinhaltet geballte Informationen, aber sich die Zeit zu schenken, sie zu lesen, ist lohnend. Nicht nur yogapraktizierende Patienten und Yoga-Lehrende profitieren davon, auch Leiter/-innen von Herzsportgruppen gewinnen vielfältigste Anregungen.

Cornelia M. Kopelsky, Service für bewegende Publikationen
Freie Fachjournalistin und Fachautorin
Feckweilerbruch 28, 55765 Birkenfeld / Nahe

www.CMKopelsky.de