Sekundärprävention bei KHK: Was ist unerlässlich?

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Von der antithrombotischen Therapie bis zur Polypille, Autor: R. H. G. Schwinger

Nach einem Myokardinfarkt kann mit sekundärpräventiven Maßnahmen die Krankheitsprogression reduziert und damit die Prognose verbessert werden. Doch die Adhärenz in Bezug auf die Sekundärprävention liegt nur bei etwa 50 %. Welche Maßnahmen sind gesichert wirksam und können den Patientinnen und Patienten empfohlen werden?

Ca. 20 % aller Patienten, die die akute Phase eines akuten Koronarsyndroms (ACS) überleben, erleiden im ersten Jahr ein zweites oder ein weiteres kardiovaskuläres Ereignis. Sekundärprävention ist somit wichtig. Sie besteht aus medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien [1, 2]. Die medikamentöse Sekundärprävention kann die Symptomatik und Prognose einer koronaren Herzkrankheit (KHK) nachweislich verbessern. Sie verhindert das weitere Fortschreiten der KHK (durch Beeinflussung der Risikofaktoren Gesamt-, LDL- Cholesterin, erhöhter Blutdruck, linksventrikuläre Hypertrophie, Diabetes mellitus) bzw. stellt den Therapieerfolg (nach perkutaner Koronarintervention [PCI] mit und ohne Stent, Bypass-Op.) sicher (z.B. mittels Thrombozytenaggregationshemmung). Trotz des Wissens um diese sekundärpräventiv effektiven Maßnahmen ist das Rezidivrisiko immer noch hoch. Dies hängt mit der ungenügenden Umsetzung, aber auch mit der Medikamentencompliance zusammen. Die evidenzbasierten Lebensstilempfehlungen – Ernährungsumstellung, sportliche Aktivität, Kontrolle des Body-Mass-Index (BMI), Blutdruckselbstmessung (Infobox 1) – sind bezüglich der Prognoseverbesserung der medikamentösen Therapie gleichzusetzen!

Antithrombotische Therapie und KHK

Nach Myokardinfarkt (oder Apoplex/transitorischer ischämischer Attacke [TIA]) senkt Aspirin ohne Zeitlimit verschrieben die Letalität um 10 % pro Jahr [3]. Die Fortschritte bei Koronarinterventionen im Rahmen eines akuten (ACS) oder chronische Koronarsyndroms (CCS) sind neben der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten (Stents, techni- sche Ausrüstung) auch der verbesserten medikamentösen Therapie geschuldet. Letztere verhindert Akutthrombosen oder Re-Stenosen.

Wesentlichen Fortschritt brachte die duale Thrombozytenaggregationshemmung (DTH) mit Aspirin (Acetylsalicylsäure, ASS) und einem P2Y12-Antago- nisten und der damit einhergehenden Hemmung von zwei wesentlichen Signalwegen der Thrombozytenaktivierung. Die Einführung von P2Y12-Antagonisten der dritten Generation als Kombinationspart- ner von Aspirin in der DTH hat die Wirksamkeit, aber auch das Blutungsrisiko erhöht. Das muss bei der Auswahl und Dauer der DTH berücksichtigt werden. Die Möglichkeit, Plättchenfunktionsmes- sungen durchzuführen, konnte bisher die Therapiesteuerung nicht wesentlich verbessern.

Bei Patienten mit ACS und Z. n. Stentimplantion ist Aspirin mit einem P2Y12-Antagonisten der dritten Generation zu kombinieren. Dabei haben Prasugrel und Ticagrelor ein besseres Nutzen-Risiko-Profil als Clopidogrel. Im direkten Vergleich von Prasugrel und Ticagrelor (ISAR-REACT-5-Studie [4]) schnitt Prasugrel günstiger als Ticagrelor ab. Entsprechend leiten die NSTEMI-ACS-Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) eine IIaB-Empfehlung zugunsten von Prasugrel ab [5].

Bei ACS erfolgt eine DTH unabhängig von einer Stentimplantation, d. h. auch bei konservativer Therapiestrategie und nach Bypass-Op., über 12 Monate und anschließend i. d. R. ASS und Clopidogrel (Abb. 1).

Antithrombotische Therapie und KHK

Bei ACS und Stent besteht die DTH aus Aspirin und einem P2Y12-Antagonisten der dritten Generation über möglichst 12 Monate.

Thrombozytenaggregationshemmung nach elektiver Koronarintervention

Bei stabiler Angina pectoris und Ischämienachweis bzw. Stenting nach intrakoronarer Druckdrahtmessung besteht die DTH aus Aspirin und Clopidogrel [1, 2]. Potentere P2Y12-Antagonisten sind hier weniger geeignet, da nach elektiver Koronarintervention die ischämische Komplikationsrate deutlich reduziert ist. Bei komplexer Koronarmorphologie (z. B. Bifurkationsintervention, verkalkte Koronargefäße) und erhöhtem ischämischem Risiko wird hingegen der erfahrene Interventionalist ggf. auch eine Kombination mit Aspirin und einem potenteren P2Y12- Antagonisten für indiziert halten; das entspricht aber einer Off-label-Verschreibung oder verlängert die Dauer der DTH.

Aufgrund der Weiterentwicklung der Implantationstechnik, aber auch der Stentmaterialien, ist das Stent-Thrombose-Risiko deutlich gesunken (ca. 1 % pro Jahr). Somit wurde die Dauer der DTH bei CCS auf 6 Monate reduziert (Abb. 1).

Kurzgefasst: CCS und Stent

Bei elektiver Stentimplantation besteht die DTH aus Aspirin und Clopidogrel für ca. 6 Monate.

Thrombozytenaggregationshemmung bei erhöhtem Risiko für Ischämie bzw. Blutung

Bei erhöhtem ischämischem Risiko – nach Einschätzung des Interventionalisten – kann die antithrombotische Therapie intensiviert, d. h. verlängert bzw. Aspirin mit einem potenten P2Y12-Antagonisten kombiniert werden. Auch kann bei einem erhöhten ischämischem Risiko eine Fortführung über 12 Monate hinaus mit Aspirin und reduzierter Dosis Ticagrelor oder die Kombination mit Aspirin und niedrigdosiertem Rivaroxaban erwogen werden. Bei erhöhtem Blutungsrisiko wird im Wesentlichen die Dauer der kombinierten Thrombozytenaggregationshemmung verkürzt, mit einer sich dann an- schließenden Monotherapie. Somit ist nach individueller Nutzen-Risiko-Einschätzung bei erhöhtem Blutungsrisiko eine Verkürzung der DTH und bei erhöhtem ischämischen Risiko eine Verlängerung denkbar (Tab. 1).

Patienten mit KHK und Indikation für eine Thrombozytenaggregationshemmung (DTH nach PCI) sowie Vorhofflimmern mit einem CHA2DS2-VASc- Score ≥ 2 oder einer anderen zwingenden Indikation zur oralen Antikoagulation (OAK) müssen zusätzlich zur antithrombozytären Therapie eine OAK erhalten. In der Triple-Therapie ist Aspirin und Clopi- dogrel in Kombination mit einem Vitamin-K-Antagonisten bzw. einem neuen oralen Antikoagulans (NOAK) einzusetzen. Die Dauer der Triple-Therapie sollte so kurz wie möglich sein; sie erfolgt i. d. R. für die Dauer des stationären Aufenthalts bzw. für 4 Wochen. Die Dauer der Triple-Therapie ist abhängig vom Ischämie- und Blutungsrisiko und sollte vom Interventionskardiologen festgelegt werden (Tab. 1).

Auszug aus PDF: Sekundärprävention bei KHK: Was ist unerlässlich?; Quelle: MWW Fortschritt Medizin 2023; 165 (5)

Autor:

Prof. Dr. med. Robert H. G. Schwinger Medizinische Klinik II, Klinikum Weiden, Lehrkrankenhaus der Universität Regensburg, Kliniken Nordoberpfalz AG

MMW2305-FB-Schwinger-Sekundaerpraevention-KHK